Wie viel Fernsehen braucht mein Kind?

 

Wer kennt sie nicht, die fast täglichen Diskussionen ums Fernsehen? Da gibt es die Lieblingssendung, die auf keinen Fall verpasst werden darf, und dann ist da ja auch noch die tolle Wissenssendung, die zur Allgemeinbildung beiträgt. Und wenn diese andere Serie nicht geguckt wird, kann man morgen nicht mitreden. Es ist schon erstaunlich, wie erfinderisch Kinder bei der Wahl der Argumente werden, wenn  es darum geht, um die Zeit fürs Fernsehen regelrecht zu feilschen. Und welche Ausdauer sie dabei an den Tag legen. In nicht wenigen Familien entbrennt ein regelrechter Kampf um jede Minute und jede Sendung. Sieht man sich das vollgepackte Angebot der einzelnen Sender, nicht zuletzt der Kinderprogramme wie KiKa und Co.,  an, verwundert es nicht, dass unser Nachwuchs sich immer stärker zu dem Medium Fernsehen hingezogen fühlt. Natürlich ist dieses aus unserem Alltagsleben nicht mehr wegzudenken und mit Sicherheit bereichert es auch den ein oder anderen Aspekt des jungen Lebens, dennoch ist es der Grat zwischen Zeitspanne und Programmauswahl, der es über den Tag verteilt schwer macht, einen Konsens zu finden, der Eltern und Kinder gleichermaßen zufriedenstellt.

 

Schon früh morgens geht es los mit dem spannenden Fernsehprogramm, das bereits die Kleinen von 7:00 Uhr in der Früh bis zum Abend fesseln kann. Aber muss das sein? Gilt immer noch die vor einer gefühlten Ewigkeit geäußerte Annahme, dass Fernsehen dumm macht? Mit Sicherheit nicht. Das Fernsehen öffnet den Blick in die Welt, berichtet schon im Format der Kindernachrichten über die Geschehnisse des Tages und trägt damit zum Interesse an Politik, Sport und Gesellschaft bei. Auch Wissenssendungen sind mit Sicherheit nicht verkehrt. Wichtig ist nur, wie die Kinder mit der Fülle an Informationen umzugehen lernen, wie das Gesehene und Gehörte innerhalb der Familie besprochen und verarbeitet wird. Die Kinder sollten nicht allein gelassen werden, ein Erwachsener sollte immer dabei sein und aufkommende Fragen beantworten können. Auch bei der Lieblingssendung, so harmlos und niedlich sie auch gestaltet sein mag, kann Gesprächsbedarf entstehen, der sich nicht aufstauen sollte. Es hängt also davon ab, wie wir Eltern mit dem Fernsehkonsum unserer Kinder umgehen und dabei nicht nur beeinflussen, was und wie lange sie sehen, sondern wie das Medium Fernsehen im Nachgang aufbereitet wird.

 

Viel zu häufig wird der Fernseher als reine Unterhaltungsquelle genutzt, während die Erwachsenen der Hausarbeit nachgehen oder anderen Beschäftigungen ihre Aufmerksamkeit widmen. Freisprechen kann sich hiervon wohl niemand. Es ist sicherlich auch nicht verwerflich, das ein oder andere Mal das TV-Gerät als „Babysitter“ einzusetzen. Gefährlich wird es nur, wenn dies zur Regelmäßigkeit wird, die Kinder sich zurückziehen und in ihre eigene Welt eintauchen und damit den Anschluss zum Rest der Familie verlieren. Überschreitet der Konsum also einen bestimmten Grenzwert, kann dies durchaus zu einer Entfremdung der Familienmitglieder führen. Eine Gefahr, die leider oft viel zu spät erkannt wird. Eingeschränkte Kommunikation, ausbleibende gemeinsame Unternehmungen im Familienverband, mitunter auch aggressive Verhaltensweisen können die Folge sein.

 

Umso mehr ist es wichtig, Konsequenz bei der Nutzung des Mediums Fernsehen an den Tag zu legen, feste Medienzeiten zu vereinbaren und darüber hinaus auch nicht mediale Aktivitäten zu fördern. Dies können unter anderem der Beitritt in einen Sport- oder Tanzverein sein, das Engagement in einer Theatergruppe, der Wahrnehmung von Musikunterricht oder auch Spielgruppen. 

Niemand spricht von einem gänzlichen Verbot - was in unserer fortgeschrittenen Zeit durchaus sowieso in die falsche Richtung zielen würde.

 

Experten sprechen immer wieder Empfehlungen für die unterschiedlichen Altersgruppen aus, an denen man sich orientieren kann. Sie sollen nicht als strenge Vorgabe, sondern als Richtwerte  erkannt werden, die helfen, den Medienkonsum individuell auf jedes Kind anzupassen.  Denn unterscheiden sich die Kinder in ihren Interessen und Leistungen, so unterscheiden sie sich auch n ihrem  Medienverhalten und dem Bedarf danach:

 

Babys und Kleinkinder (0-2 Jahre)

Diese Altersgruppe nimmt schon mehr mediale Aktivität wahr als angenommen (visuell und auditiv)

So wenig TV wie möglich, maximal 15-20 Minuten am Tag

Kindergartenalter (3-5 Jahre)

Förderung Verständnis- und Sprachentwicklung, Konzentrationsfähigkeit durch regelmäßiges Vorlesen

30 Minuten TV am Tag

1. bis 2. Grundschuljahr

(6-7 Jahre)

Kindern entdecken ihren Wissensdurst , das Verständnis für Handlungsstränge weitet sich aus

45 Minuten TV am Tag

3. bis 4. Grundschuljahr

(8-10 Jahre)

Kinder entwickeln eine eigene Fähigkeit, Medien auf Ihre Weise zu hinterfragen, entwickeln eigene Qualitätskriterien

45 Minuten TV am Tag

Weiterführende Schule (11-13 Jahre)

Begeisterung für Genres wie Fantasy, Action wächst, Vorabendserien mit alltagsnahen Charakteren und Geschichten rücken in den Fokus

60 Minuten TV am Tag

 

Ein besorgniserregender Trend setzt sich in Deutschland seit den vergangenen Jahren durch: Immer mehr Kinderzimmer sind mit einem eigenen TV-Gerät ausgestattet. Dass da die Kontrolle über den Inhalt der Fernsehsendungen sowie deren Dauer verloren geht, liegt klar auf der Hand. Zudem trägt es maßgeblich zur Entfernung  der Familienmitglieder bei. Es gilt als bewiesen, dass Kinder mit eigenem Fernsehgerät durchschnittlich mehr fernsehen als Kinder, die sich das Gerät mit den Eltern „teilen“.  Kein Wunder, dass der Langeweilekiller in jenen Fällen schneller beschäftigt wird.  Die Frage nach einem  Fernseher sollte daher bis zum Ende der Grundschulzeit von den Eltern mit einem eindeutigen Nein beantwortet werden.  Mit den Kindern sollten gemeinsame Absprachen getroffen werden, was feste Zeiten und auch den Inhalt der Serien betrifft. Akzeptieren Sie dabei aber auch andere Geschmäcker Ihres Nachwuchses und drücken Sie ihm nicht Sendungen auf, für die es absolut kein Interesse zeigt.

Text: Doreen Winter